Verzögerungstaktik – Daimler AG will sich in die Verjährung retten (?)

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg hat nach vielen Pressemeldungen zahlreiche  Widersprüche gegen Rückrufbescheide für Dieselfahrzeuge derMarke Mercees zurückgewiesen. Die meisten Bescheide stammten aus dem Jahr 2019.

Die Behörde hatte in vielen Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen beanstandet. Daimler Benz hielt diese Wertung für fehlerhaft und hatte gegen jeden Bescheid Widerspruch eingelegt. In einer Sache steht noch die Widerspruchsbegründung von Daimler aus. Das Verfahren ist formell noch offen. Festzustellen ist aber auch, dass es zahlreiche Dieselmotoren von Mercedes Benz gibt, für die das KBA keinen Rückruf angeordnet hat (vgl. z.B. Fahrzeug im Beschluss des BGH 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, ein C 220 CDI, Motor OM651 aus dem Jahre 2012). Dies macht immer eine sorgfältige Enzelfallprüfungerforderlich.

Rückblick:

Bereits im Frühjahr 2018 hatte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) für einen Mercedes Vito der Schadstoffklasse Euro 6 wegen einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ einen Rückrufbescheid erlassen. Weitere Rückrufbescheide für zahlreiche Modell- und Motorvarianten kamen vor allem in 2019 hinzu. Fast alle Modellklassen und viele Dieselmotorvarianten waren betroffen. Da viele der Fahrzeuge vor 2016 gebaut wurden, ist schon jetzt darauf zu achten, dass mögliche Ansprüche der Käufer zu verjähren drohen.

Die Daimler AG lies stets bestreiten, dass es sich bei den vom KBA behaupteten Abweichungen um eine unzulässige Abschalteinrichtungen handele. Daimler verteidigte die Abschaltung der Abgasrückführung bei tiefen Temperaturen mit der Notwendigkeit des Motorenschutzes. Mit dieser und technisch weitergehenden Begründungen hatte der Konzern Widersprüche gegen die Bescheide eingelegt.

Daimler kann und wird wohl gegen Behördenentscheidungen klagen. Zumindest muss man dies erwarten, wenn man sich das Verteidigungsverhalten des VW-Konzerns und der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe betrachtet. Demnach soll die Verjährung eines Schadensersatzanspruches dann zu laufen beginnen, wenn für den geschädigten Verbraucher eine Klage zumutbar ist. Zumutbar sei eine Klage in den VW-Abgasskandalfällen bereits nach den Pressenveröffentlichungen im September 2015 gewesen. Dass VW im weiteren Verlauf in jedem Rechtsstreit bis zuletzt eine illegale Abschalteinrichtung, eine sittenwidrige Täuschung bestritt, sei für die rechtlichen Bewertung der Verjährungsfrage unbeachtlich. Dieses Bestreiten führe nicht dazu, dass eine unklare Rechtslage im Rechtssinne – und damit ein späterer Beginn des Verjährungslaufes – vorliege. Viele VW-Fälle mit älteren Fahrzeugen sind somit verjährt, soweit die Verbraucher keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen haben.

Was bedeutet dies für Mercedes-Benz Dieselfahrzeuge?

Man könnte den Beginn des Verjährungslaufes an den jeweiligen Maßnahmen des KBA, dem amtlich verordneten Rückrufen festmachen. Dies insbesondere dann, wenn sie auch dem Kunden bekanntgegeben oder Gegenstand größerer Presseveröffentlichungen wurden. Damit könnte ausreichende Kenntnis des Schadens vorliegen. Für Rückrufbescheide aus 2018 könnte dies bedeuten, dass eine Verjährung des Schadensersatzanspruches bereits mit Ablauf des Jahres 2021 eintritt.

Sollte Daimler gegen diesem Widerspruchbescheide vor Gericht ziehen, droht ein langjähriger Rechtsstreit durch mehrere Instanzen. Akzeptiert der Stuttgarter Autobauer die Zurückweisung der Widersprüche, sind die Bescheide des KBA rechtskräftig. Es steht also zu vermuten, dass Daimler die Ungewissheit möglichst lange erhalten will und gegen die Bescheide klagen wird.

Auf jeden Fall ist diese (Zwischen-)Entscheidung des KBA für laufende Zivilprozesse von Mercedes-Benz Fahrern von Bedeutung. Denn bisher taten sich die Geschädigten schwer, eine sittenwidrige Manipulation, die illegale Abschalteinrichtung zu beweisen. Anders als von VW gibt es von Mercedes keine Pressemittelung mit einem Eingeständnis des Fehlverhaltens.

Wenn die zuständige Fachbehörde jedoch mehrfach geprüft und festgestellt hat, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, dann ist das ein starkes Indiz, auch für die Richter in laufenden Verfahren. Bei der Bewertung der in den Verfahren notwendigen Sachverständigengutachten, muss die Richterschaft diese Behördenentscheidung berücksichtigen und in der Urteilsbegründung schon mit sehr guten Argumenten widerlegen, will man gegen den Verbraucher entscheiden.

Mit dieser Entscheidung er Flensburger Behörde habe sich die Chancen der Verbraucher Schadensersatz zu erhalten weiter verbessert. Je nach Alter des Fahrzeuges und Modell könnte jedoch ein großer Teil der Verjährungsfrist bereits verstrichen sein. In wenigen Fällen dürfe schon Eile geboten sein – mindestens in Fällen von Fahrzeugen Baujahr 2012. Fahrzeugeigentümer von Fahrzeugen Baujahr 2011 ab Februar müssen ganz schnell handeln, da hier die 10-jährige Höchstfrist einer Verjährung droht.

Heidelberg, 06.02.2021

Jörg Ebenrecht

Rechtsanwalt

Rechtsanwaltskanzlei Heidelberg